Am 13. November 1544 wurden in Delden in
der niederländischen Provinz Overyssel,
die Täuferinnen Maria und Ursula von
Beckum auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
Und gleichwohl das Verfolgen
und Hinrichten von Täufern nach dem
blutreichen Scheitern des Täuferreiches
zu Münster 1535 fast zum reformatorischen
Alltag gehörte (es gab
regelrechte Täuferjagden), erregte der Mord an Ursula
und Maria von Beckum die Gemüter
stark und nachhaltig.
Schon kurz nach
ihrer Verbrennung beschrieben lange Märtyrerlieder die tiefe Frömmigkeit der
Frauen und ihre Standhaftigkeit gegenüber
der Inquisition. Diese Lieder trugen
erheblich dazu bei, dass Maria und Ursula
von Beckum noch heute zu den bekanntesten
Märtyrerinnen innerhalb des
niederländischen Täufertums gehören.
Ursula von Beckum entstammte dem
ostfriesischen Häuptlingsgeschlecht von
Werdum. Sie war die älteste Tochter Ulrich von Werdums und der Oldenburgerin
Armgart von Fikensolt. Ursulas Urgroßvater war Folkert Boynks zu
Dykhausen, ihr Bruder der Häuptling Hero
von Werdum. Seit 1538 war die ostfriesische
Häuptlingstochter mit dem geldrischen
Adligen Johann Heinrich von Beckum verheiratet, dem Bruder Maria
von Beckums.
In einer Nacht- und Nebelaktion wurden
die Schwägerinnen im Mai 1544 gefangengenommen,
in einer Phase besonders
strenger Verfolgung von Taufgesinnten
durch die Obrigkeit. Allerdings könnte
ihre religiöse Überzeugung auch nur ein
Vorwand für die Gefangennahme gewesen
sein . Möglicherweise, so mutmaßt
Ulrich von Werdum (1632 bis 1681) in
der von ihm verfassten Familiengeschichte
der von Werdums , gab es
auch sehr weltliche Beweggründe. Ulrich, Urgroßneffe
der Ursula von Werdum, schreibt,
dass Goese van Raesveldt, Statthalter
Herzog Albas in Twente, ein Auge auf den
Besitz der von Beckums geworfen hatte.
Nach dem Tod der kinderlosen Johann
und
Ursula von Beckum wäre deren Vermögen
an Maria von Beckum gefallen,
Johanns ledige
Schwester.
Erbfolge Nächster in der Erbfolge sei dann schon er selbst, Goese
van
Raesveldt, gewesen. Vielleicht wollte
er
den natürlichen Lauf des Lebens etwas
nachhelfen
, spürte Maria deshalb mit seinem
Gefolge auf dem Anwesen ihres Bruders
auf und veranlasste, dass sie nach
Delden verschleppt
und vor die katholische
Inquisition gebracht wurde.
Angesichts der großen Menge Schaulustiger,
die
die überfallartige Gefangennahme
im Mai 1544 verfolgte, soll Maria von
Beckum ihre Schwägerin Ursula gebeten
haben
, sie zu begleiten.
Ursula
war einverstanden,
auch
Johann von Beckum
stimmte
zu. Es ist nicht klar, ob Ursula
von Beckum schon zu diesem Zeitpunkt
dem Täufertum anhing oder ob sie erst im
Laufe des Verfahrens ihre täuferische
Überzeugung
fand und an ihr festhielt.
Als Hinweis auf eine Nähe zum Täufertum
kann
gelten, dass auch Ursulas
Schwestern
aus religiösen Gründen in
Schwierigkeiten gerieten. So soll Adelheid
von Werdum um 1550, als Graf
Johann von Ostfriesland streng auf die
Durchführung des Interims in Ostfriesland,
im Harlingerland und in den
Nachbargebieten
achtete, um der Religion
Ursula
und Maria von Beckum - Täuferinnen,
verbrannt
in Delden 1544
Ursula von Beckum entstammt dem
ostfriesischen Häuplingsgeschlecht von Werdum
willen
ihre Heimat verlassen haben. Sie
heiratete später in Holstein den
preußischen
Adligen Johannes von Syck (auch:
van
Spyck).
Pommern Anna von Werdum verschlug
es zur selben Zeit und aus demselben
Grund nach Pommern, wo sie einen Adeligen
aus der Familie Winkel heiratete.
Angesichts des tapferen Verhaltens der
Frauen vor der Inquisition und ihrem
Festhalten an der nach ihrer Überzeugung
richtigen Religion treten solche Fragen
allerdings in den Hintergrund. Fest und
freimütig, so schildert es Ulrich von
Werdum, lehnten
sie Bilderverehrung und
andere Irrtümer des Papismus ab, wurden
zum Tode verurteilt und verbrannt.
Der Märtyrerspiegel der Taufgesinnten
und
vor allem das 21 Strophen umfassende
Märtyrerlied „Ach Gott, ich mag wohl
trauren, wie sollt ich sein erfreut", das
Maria von Beckum auf dem Scheiterhaufen
am 13. November 1544 in Delden. Rechts im Bild
ihre Schwägerin Ursula von Beckum im Kerker.
(Zeitgenössische Darstellung)
vermutlich schon im ersten mennonitischen
Gesangbuch in Deutschland „Ein
schon gesangbuechlein“ (1563/65)
abgedruckt war
, überliefern detailreich die
Gefangennahme Ursulas und Marias.
Beschrieben werden die Verhöre durch
den Statthalter in Dewenter, von Iselstein,
und , vermutlich, auch durch den Prior des
Predigtherren-Klosters in Zwolle, Bernhard
Gruwel („Broeder Grouwel“). Die
beiden Frauen wurden anschließend nach
Delden oder Twickel bei Delden gebracht,
wo sie von zwei Inquisitoren vom
burgundischen Hof eingehend zu Taufe und
Abendmahl befragt wurden.
Raesveldt In Delden wurde am
13. November 1544 zuerst Maria verbrannt. An der Verbrennung
sollen das Gericht, der Drost Goese
von Raesveldt und ein kaiserlicher Kommissar
des Hofes von Gelderland zu Arnhem
in Delden teilgenommen haben.
Maria von Beckum soll mit einer großen,
kaum beschreibbaren Freude zum Holzstoß
gegangen sein. Möglicherweise wurde
sie , dies als ein aus heutiger Sicht
eigenwilliges Zeichen von Milde, nicht
durch das Feuer getötet, sondern zuvor
durch den Henker erwürgt. Eine andere
Form zeitgenössischer Barmherzigkeit
drückte
sich darin aus, dass den Delinquenten
ein Säckchen mit Pulver um den
Hals gebunden wurde, dessen Explosion
den
Tod beschleunigte.
In den Niederlanden unter ischer Herrschaft galt als erste Hinrichtungsart
durch das Feuer die Variante, auf dem
Scheiterhaufen ein Strohhaus zu errichten,
in
das der Verurteilte gestellt wurde.
Scheiterhaufen und Strohhaus wurden
gleichzeitig
angezündet, so dass das
Opfer erstickt war, bevor das Feuer es
berührte
. Bei lebendigem Leibe verbrannt
zu werden galt als eine besondere
Verschärfung
der
Strafe.
Nach dem gewaltsamen Tod ihrer Schwägerin
ermunterte
der Prediger von Delden
Ursula, ihrem Glauben abzuschwören und
um Begnadigung zu bitten. Das allerdings
hätte ihr keineswegs das Leben gerettet.
Es „lockte“ lediglich ein milderer Tod,
zum Beispiel durch das Schwert, oder,
wie
bei Frauen eher üblich, durch Ertränken.
Inquisitors
Ursula widerrief nicht. Als ihr auf dem Scheiterhaufen der Fuß entglitt, soll
sie ausgerufen haben: „Mich dünkt, ich
falle .“ Doch die Annahme des Inquisitors,
Ursula wolle widerrufen, trog: „Nein“,
soll sie gesagt haben, „der Block glitt
mir nur aus, ich will nicht in Gottes Wort
wanken .“ Ihre letzten Worte waren eine
Fürbitte für die Obrigkeit: „O Herr wollst
ihnen vergeben, Sie wissen nicht was sie
thun“. Hinrichtungen wie diese wurden seitens
der Obrigkeit meist für eine große
Öffentlichkeit inszeniert
, um abschreckend auf das
Volk zu wirken. Die Machthaber
sahen in den grausamen Peinigungen
ihrer Opfer eine wirksame Warnung an
die Untertanen, es den Delinquenten auf
keinen Fall gleichzutun.
Wie in einer ironischen Umkehrung
waren diese brutalen Mechanismen eines
gewaltsamen Todes oft jedoch die Geburtsstunde
von Märtyrern. Märtyrerlieder,
wie sie zum Beispiel auf Ursula und
Maria gedichtet wurden, verbreiteten
sich, bildlich unterstützt durch
Holzschnitte und
andere Illustrationen, schnell, beeindruckten die Menschen tief
und beförderten eher die Verbreitung des
Täufertums und seiner Glaubensüberzeugungen.
Lebensweise Sympathisch wirkte auf das Volk
oft auch die strenge und schlichte
Lebensweise
der Täufer nach der Heiligen
Schrift. Die Auswirkungen des Martyriums
können in diesem Sinne durchaus
auch als erfolgreiche Werbung für die
junge Bewegung und die radikale Reformation
gelten . Sie machten den Glaubensmut
der Täufer weiten Bevölkerungsgruppen
bekannt und stärkten gleichzeitig
die Kraft der Gefangenen in den
Kerkern.
Im Falle der Schwägerinnen von Beckum
verstärkte ein, so will es die Überlieferung,
erschienenes Wunder noch das Märtyrerbild:
Maria soll im Sterben ausgerufen
haben dass der Pfahl, an den sie
gebunden sei, grünen würde als Zeichen
dafür, dass sie um der Wahrheit willen
gelitten hätte. Tatsächlich hätte der Pfahl
einige Zeit später grüne Triebe gezeigt.
Als Wunder wurde auch gedeutet, dass
die Körper der beiden Frauen, die noch
am 11.
Unversehrt Dezember über der Erde gehangen
haben sollen, nicht verbrannt, sondern
unversehrt geblieben waren - ein Zeichen
dafür, dass die Frauen „nur“ erstickt,
aber nicht verbrannt wurden.
Die Kunde vom Tod der Frauen gelangte schnell nach Ostfriesland. Die Brüder
Ursulas, Hicko und Hero, die offenbar während der gesamten Haftzeit ihrer
Schwester und Schwägerin untätig geblieben
waren, forderten am 18. November 1544 einen schriftlichen Bericht
bei ihrem Schwager ein, den er ihnen am
11. Dezember 1544 auch lieferte.
Der Tod Ursula von Werdums soll noch
ein politisches Nachspiel gehabt haben.
Der ostfriesische Heimathistoriker Ritter
schreibt , dass in der Nacht auf den 4.
Dezember 1546 bei Deventer Heu- und Getreidehaufen sowie Scheunen mit Vieh
und Korn gebrannt hätten . Die Brandstifter,
Hans Balsterkamp und Johan van Lembecke, gaben im Verhör vom 23. Juli
1548 zu ihren Mordbrennereien an, dass sie
zu den Brandlegungen angestiftet worden seien.
Streitbaren Die Delinquenten nennen zwar nicht direkt den Namen des streitbaren und kriegserfahrenen Hero von Werdum als Anstifter, wohl aber einen ostfriesisch sprechenden Mann auf schwarzem Pferde in einem schwarzen mit Fluweel (Sammet) besetzten Tabbaard (Mantel), der sich Schreiber von dem Hause
, den Oirt’ (Leerort) nennen liess und ihm 23 Emder
Gulden gab. Dieser geheimnisvolle Reiter hätte ihn, Hans Balsterkamp, gefragt, ob
er die Geschichte von den zwei verbrannten Jungfrauen kenne, „ende om dat bloet
te wreecken (rächen), die syn bewantschap waeren
“.
Leerort Anschließend sei der Schreiber von Leerort mit vier Mann zu
Fuß in vier Tagen nach Deventer gezogen, um auf einem vor der Stadt gelegenen
Feld dem Ausbruch der Brände zuzuschauen. Erhärtet wird der Verdacht, dass Hero der
schwarze Reiter hätte gewesen sein können, dadurch, dass Verwandte von Ursula
und Maria von Beckum schon 1545 Rache geschworen hätten. So hatte der
Drost von Twente am 12. April 1545 der Statthalterei in Brüssel gemeldet, dass
die Brüder derselben ihm drohende Briefe geschrieben
und sogar zwölf Reiter ausgerüstet hätten
, gegen die er, da die ganze Gegend voller Wiedertäufer sei, 25 Mann
Pferdevolk unterhalten zu dürfen bitte.
Erst einige Jahre später, am 7. Juli 1551,
bescheinigen Bürgermeister, Schöffen und
Rat der Stadt Deventer Hero von Werdum per Brief, dass er in dem besagten
Verhör nicht als einer an den Bränden bei Deventer in der Nacht auf den 4.
Dezember 1546 Beteiligter genannt worden sei. Diesen Brief ließ Hero
am 18. August 1552 in den Emder Kontrakten-
Protokollen protokollieren. Dr. Susanne
Woelk
1 Ulrich von Werdum, Series familiae Werdumanae
usque ad annum 1667. Die Geschichte des Hauses
Werdum bis zum Jahr 1667, Teil II. Deutscher Text,
(=Quellen zur Geschichte Ostfrieslands, Bd. 12), Aurich 1983, S. Stammtafeln im Anhang, S.
155. (fortan: Werdum, Familiengeschichte).
2 Tielman van Braght, Het Bloedig Tooneel of Martelaers- Spiegel der Doops-Gesinde of Weereloose
Christenen, 2. Druk, Amsterdam 1685.
3 F. Ritter, Zur Geschichte der Häuptlinge von Werdum
und der taufgesinnten Märtyrerinnen Maria v.
Beckum und Ursula v. Werdum (1538-1552), Emder
Jb., 15 (1905), S. 390ff.
4 Woelk, Dr. Susanne, U, und M.
Beckum. Sehe auch: Doopsgezinde dames eindigen op de brandstapel
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